Interview mit Forstwissenschaftler Prof. Dr. Jens Schröder
Professor Schröder (links) und unser Geschäftsführer Axel Behmann bei einer Besprechung auf den Flächen am letzten Dienstag.
Prof. Jens Schröder
...forscht an gleich zwei Eberswalder Einrichtungen zu forstwissenschaftlichen Themen: Als Dozent an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNEE) im Fachbereich Wald und Umwelt, sowie als Leiter des Fachbereiches Waldressourcenmanagement im Landeskompetenzzentrum Forst (LFE).
Seit kurzem ist er in ein neues, spannendes, potentiell richtungsweisendes Projekt involviert: Forschung zu Waldökologie, Waldbau und vor allem Klimawandelanpassung auf den Flächen von NfG! Auf insgesamt rund 60 Hektar Versuchsfläche werden in den nächsten Jahren neben heimischen Baumarten auch (hoffentlich) klimaresistente Alternativbaumarten gepflanzt. Jedes Jahr 15 Hektar, vier Jahre in Folge. So eröffnet sich Raum für intensive Forschung – für einen Wald, der zukünftigen klimatischen Anforderungen gewachsen ist.
Professor Schröder, Sie forschen seit fast zwei Jahrzehnten zu verschiedenen forstwissenschaftlichen Themen: Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit am und im Wald?
Es ist einfach ein schöner Ort. Viele gehen dorthin um sich zu erholen, ich darf darin arbeiten und ihn mitgestalten. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass die Geschwindigkeiten passen: Arbeit an Waldprojekten erfordert langes, gründliches Nachdenken. Dementsprechend haben die Entscheidungen die man trifft auch eine lange Wirkungszeit, strahlen weit in die Zukunft. Ich mag das Gefühl, Teil einer so langen Kette von Überlegungen zu sein – es ist wie eine Art Staffelstabübergabe. Man kann in seiner Arbeits- und Lebenszeit etwas Sinnvolles tun und übergibt hoffentlich etwas noch Sinnvolleres an die Nachfolgenden.
Möglicherweise sind die jetzigen „Staffelstabübergeber“ ganz besonders entscheidend, wenn es um die Zukunft des Waldes geht: Inwiefern macht sich der Klimawandel schon jetzt im deutschen Wald bemerkbar?
Besonders auffällig ist, dass sich so viel so schnell ändert, so drastisch in gewisse Richtungen. Man kann man in der Forschung direkt nachvollziehen wie immer mehr der Einfluss des menschengemachten Klimawandels steigt auf die Veränderungen die stattfinden. Und das in einer Geschwindigkeit, die natürliche Prozesse allein nicht haben würden.
Ich glaube jedem, der viel Zeit im Wald verbringt, fällt die Veränderung auf. Wald hat ja eine gewisse Dauerhaftigkeit – man verlässt sich auf viel Grün und gute Luft. Bei Ausflügen merkt man aber, dass es längst schlimmer ist: Die Bäume sind durchsichtig, die Nadeln liegen auf dem Boden, die Blätter fallen ab, viele Bäume sterben. Das ist relativ drastisch zu sehen. Es hat zwar eine Zeitlang gebraucht bis es soweit kam, doch für normale, natürliche Abläufe ist es extrem schnell gegangen.
Während einerseits die Ursachen dieser Entwicklung bekämpft werden müssen, denkt man andererseits längst auch über Möglichkeiten der Adaption nach: Wie kann man den Wald klimatoleranter gestalten? Welche Strategien gibt es?
Strategien klingt immer, als hätte man einen Plan, nach dem man sich nur diszipliniert richten muss und dann klappt alles. Jedem der mit natürlichen Systemen zu tun hat ist klar, dass eine Menge Zufälle eine Rolle spielen und Prozesse, die wir gar nicht beeinflussen können. Dazu kommt, dass wir im Moment auch ein bisschen ratlos sind. Wir wissen nicht über alles so viel wie wir uns das wünschen. Das ist auch normal für einen Wald, aber in dem Ausmaß auch etwas Neues für uns.
Eine Zeitlang versuchten wir in der Phase der „ungerichteten Anpassung“, eine möglichst große Vielfalt zu schaffen um den Wald klimaresistenter zu machen – mehr Arten, verschiedene Strukturen, verschiedene Altersstufen. Doch nach dem jetzigen Wissensstand versuchen wir uns gerichtet anzupassen: Zum Teil durch die gezielte Erzeugung und Begünstigung von Arten und Strukturen, die die Folgen des Klimawandels auffangen sollen.
"Eine Anpassung im Denken, in den Zielen, in der Auswahl von Zielen."
Hier kommt den Alternativbaumarten eine erhöhte Bedeutung zu. Da, wo die Natur allein nicht mehr Schritt halten kann, ergänzen wir mit unseren Klimabaumarten. Bäume, die mehr Hitze, mehr Trockenstress aushalten, vielleicht auch ein höheres Abwehrvermögen haben, eventuell auch geringeres Wachstum. Das ist auch eine Anpassung – im Denken. Wir wollen nicht nur Bäume erzeugen, die sich gut für die Holznutzung eignen, sondern die den Wald und seine ökologischen Funktionen stabilisieren. Eine Anpassung im Denken, in den Zielen, in der Auswahl von Zielen. Das ist im Moment der Mix an Strategien. Und trotzdem müssen wir im Moment sagen: Wir wissen nicht genau, ob es ausreichen wird.
Es ist Konsens, dass Artenvielfalt den Wald klimaresistenter macht. Trotzdem ist es in Brandenburg nur in Ausnahmefällen (zum Beispiel zu Forschungszwecken) erlaubt, gebietsfremde Arten zu pflanzen: Was ist das Problem an nicht-heimischen Baumarten?
Das Problem trägt den Namen Invasivität. Schon seit Jahrhunderten, ja eigentlich seit Jahrtausenden wird mit anderen Arten experimentiert, ganz besonders in der Landwirtschaft. Da ist es auch völlig akzeptiert: Mais und Kartoffeln waren in Deutschland völlig unbekannt, bis Amerika entdeckt wurde. Das ist in den Wäldern auch gemacht worden. Zögerlicher und in geringerem Umfang, aber da gab es negative Erfahrungen – manche Arten konnten ihre Versprechen von mehr Holzertrag oder besserem Waldboden nicht einlösen und haben stattdessen Probleme mit sich gebracht. Sie breiteten sich aus und behinderten heimische Bäume im Wachstum.
Fremde Arten können eine große Bereicherung sein – doch nicht alle konnten ihre Versprechen einlösen
Interessant daran ist die Vorstellung, man könne die Natur so in einem bestimmten Zustand oder einer Zusammensetzung erhalten wie man sie kennt oder wie sie in der Vergangenheit charakteristisch war. Der Wald muss in dieser Hinsicht vielleicht eine Art moralischen Ballast auf sich nehmen. Es besteht ein übergroßes Bedürfnis daran, den Wald möglichst unverändert durch die Modernisierung kommen zu lassen: Im Rest der Kulturlandschaft sind viele Veränderungen und Künstliches akzeptiert, und das muss der Wald dann kompensieren. Im Wald soll alles so bleiben, wie man es aus den Märchenbüchern oder aus der Kindheit kennt, alles soll bleiben wie immer – doch das lässt und ließ sich nicht aufrechterhalten.
Zum Problem der Invasivität auf den Versuchsflächen: Ich kann Sie beruhigen, die Forschungsliteratur zu den ausgewählten Alternativbaumarten der Fläche für 2021 – Lebensbaum, Hemlocktanne und Edeltanne – deutet nicht auf invasives Verhalten hin. Es gibt dazu regelmäßig Stellungnahmen vom Bundesamt für Naturschutz. Das ist abgesprochen mit anderen Interessenvertretern, mit forstlichen Forschungsvertretern. Die Diskussion ist noch nicht zu Ende, geht immer weiter, aber es gibt nur wenige Baumarten, die tatsächlich als invasiv befunden worden sind. Zusätzlich sind die entsprechenden Parzellen von Buchenstreifen umsäumt, um eine eventuelle Ausbreitung dennoch verhindern zu können.
Die Auswahl für 2021: Lebensbaum, Hemlocktanne und Edeltanne
Zu den drei Alternativbaumarten für 2021 müssen wir unbedingt später noch mehr erfahren – wenngleich das Interesse der Wissenschaft sicher ungleich größer ist. Mit der Forschung auf den Versuchsflächen eröffnet sich für Sie und die anderen Wissenschaftler ein breites Spektrum an Forschungsfragen. Welche finden Sie persönlich besonders spannend?
Mich persönlich interessiert am meisten, wie die Pflanzen die kritische Anfangszeit durchstehen. Welche Arten schlagen sich besonders gut in dieser Etablierungsphase? In diesen ersten Jahren müssen sie ihr Wurzelsystem ausbilden, sich gegen die feindliche Umwelt behaupten. Sobald sie ein eigenes Waldinnenklima ausbilden können ist es leichter – aber das braucht erstmal mindestens 10 Jahre. Das ist für mich besonders spannend: Welche Arten machen das Rennen? Wie unterstützen sie sich vielleicht gegenseitig? Kommt es zu Trennung, zu Konkurrenz oder vielleicht zu Zusammenarbeit an den Grenzbereichen? Und nach 10 Jahren schauen wir: Wie sieht’s aus? Was ist noch da? Haben sich unsere Annahmen bewahrheitet? Ist es deutlich trockener geworden? Gibt es irgendwo ein Ereignis oder einen Prozess, den wir nicht im Blick hatten?
Hans-Jürgen Sturies (mitte) arbeitet als unser forstbaulicher Berater eng mit Prof. Schröder zusammen. Er verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Forst und hat in den 80ern ein ähnlich großes Projekt begleitet. Das Interview dazu finden Sie hier.
Haben Sie mit Herrn Sturies schon Wetten abgeschlossen, welche Arten das Rennen machen werden?
Hätten wir vielleicht machen sollen. Wir haben uns letztens auf den Flächen in die Augen geguckt und haben gesagt: „Wir können ihnen das Gehen beibringen, aber den Schulabschluss werden wir nicht mehr mitbekommen. Da werden wir auf den Flächen wohl nicht mehr unterwegs sein.“ Das war schon eine Demut, die wir uns da gegenseitig eingestanden haben. Wir versuchen jetzt, etwas auf den Weg zu bringen, aber was draus wird, das können erst die nachfolgenden Generationen sehen.
„Wir können ihnen das Gehen beibringen, aber den Schulabschluss werden wir nicht mehr mitbekommen."
Was macht für Sie den Reiz bei einem solchen Projekt aus? Was macht Ihnen daran besonders Spaß?
Mir macht es Spaß, für derart große Flächen Visionen entwickeln zu können. Und die Freiheit, die man dabei hat! So gern wie ich eine offene Kulturlandschaft auch habe, aber Wald ist immer noch das Schönste für mich. Wenn ich weiß: Ich kann direkt mitwirken, kann das mit auf den Weg bringen, bin mit beteiligt am Überlegen, Planen, Umsetzen – das finde ich faszinierend. Mit unserem eigenen Wissen und Nicht-Wissen können wir es selbst steuern. Die Handlungsfreiheit dabei, die Möglichkeit eine Vision erst gemeinsam zu entwickeln und dann umzusetzen. Und dann dabei zusehen zu können, wie es wird. Das finde ich toll.
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